Diptyque - Fleur de Peau
Wie duftet Haut? Dass Moschus einer der wesentlichen Bestandteile sein muss, war für die Gründer von Diptyque von Anbeginn klar. Doch wie stellt man einen modernen und zugleich unaufdringlichen Moschusduft her? Auf natürliche Art und Weise wird dieser Inhaltsstoff fast nur noch verwendet, wenn er aus Tibet importiert wird – überall sonst ist Moschus fast nicht mehr zu bezahlen. In den meisten Fällen bleibt jedoch nur die synthetische Herstellung. „Fleur de Peau“ ist eine Mischung aus einem Hauch von Iris, kombiniert mit einem Spritzer Bergamotte und italienischer Mandarine, sowie einer Handvoll rosa Pfefferkörner und Aldehyde – eine wunderbare Kombination und ein ungewöhnlicher Kontrast zugleich. Die sorgfältig ausgewählten Moschussubstanzen machen sich abwechselnd ledrig, pudrig oder fruchtig bemerkbar und werden als Krönung mit türkischen Rosen und einer Ambranuance kombiniert, die diesen Duft zu einer weiteren, einzigartigen Diptyque-Kreation machen.
Anfang der 1960er Jahre bestimmen der Renault Dauphine und der Citroën DS19 das Straßenbild Frankreichs. Neun von zehn Franzosen haben kein Telefon, nur jeder Zweite besitzt einen Fernseher. Züge brauchen sieben Stunden bis Marseille. Die rebellierende Jugend ist in zwei Lager gespalten: auf der einen Seite die Träumer, die bis nach Goa trampen, auf der anderen Seite die Wütenden, die die Welt verändern wollen. Zur gleichen Zeit gibt es aber auch drei lebensfrohe Künstler, die an der Nummer 34 des Boulevard Saint Germain einen Laden eröffnen. Sie heißen Desmond (Knox-Leet), Christiane (Gautrot) und Yves (Coueslant), sind Maler, Innenarchitekten, Bühnenbildner und zetteln ihrerseits eine Minirevolution an. In ihrem kunterbunten, aber schicken Basar, einem Anfang des Jahrzehnts eröffneten Concept-Store-Vorreiter, findet man verführerische Dinge, die es sonst nirgendwo gibt. Magische Laternen, kostbares Spielzeug, wundervolle Fayencen und reizvolle Notizbücher. Auch hausgemachte Artikel werden angeboten: bedruckte Stoffe und erste Duftkerzen (Aubépine, Thé, Cannelle, ab 1963) und von Desmond und seiner britischen Herkunft inspiriert Duftendes im englischen Stil wie Eau de Colognes mit Flieder, Maiglöckchen und Veilchen, aber auch exotisch Angehauchtes wie Bay Rhum, von dem man südlich des Ärmelkanals noch nie etwas gehört hatte. Weil die Boutique ähnlich einem Diptychon zwei Schaufenster hat – und ihre Gründer ein breites Vokabular beherrschen – erhält sie den Namen diptyque. Im Frühjahr ’68, also vor genau 50 Jahren, sorgen zwei Ereignisse im Viertel für Aufruhr. Beim ersten – in aller Welt bekannten – spielten Barrikaden, fliegende Pflastersteine und die Untersagung von Verboten die Hauptrolle. Es galt, die Welt neu zu gestalten. Das zweite Ereignis verlief wesentlich diskreter: die Geburt eines neuartigen Duftes, eine betörende Mischung aus Gewürzen, eine Reminiszenz an mittelalterliche Pomander (alte Rosen, Zimt, Orange, Nelke). Eine Kreation von Desmond, der selbsternannten „Nase“ des Hauses, die er lakonisch L’Eau nennt. Es galt, eine ganze Kunst neu zu erfinden. L’Eau positioniert sich als erstes Nischenparfum, als erster geschlechtsneutraler Duft, als erste Autorenkomposition. Und mit L’Eau werden auch zwei Traditionen aus der Wiege gehoben, die zum Markenzeichen werden sollten: Produktnamen mit O-Lauten (Oponé, Tam Dao, Ofrésia, Eau des Sens, Olène, etc.) und die sogenannte olfaktorische „Überraschung“, also eine unerwartetete Nuancenmischung, die man im Zusammenspiel der Noten eigentlich nicht vermuten würde. L’Eau, der Duft, mit dem alles begann. Zurück zu den Ursprüngen • Fast alle Abiturienten schaffen in Frankreich den Abschluss, ohne dafür gelernt zu haben. Was roch 1968 gut (oder auch nicht), als wir 20 waren? L’Air du temps von Nina Ricci und Brut de Fabergé, zwei Kompositionen für brave Fräuleins und junge Männer mit adrettem Haarschnitt, des Weiteren ausgefallene Essenzen (Tränengas), tabaklastige Wolken (von Gauloises und Gitanes), Lux-Seife, Tigerbalsam … und für Duftwaghalsige und Exotikabenteurer standen Patschuliöl und provokanter Moschus bereit. Bilder riechen, Düfte sehen Für Fleur de Peau ließ sich der Illustrator vom Wort „psychedelisch“ inspirieren, das auf einen jahrtausendealten griechischen Mythos zurückgeht. Eine Prinzessin von unvergleichlicher Schönheit verliebt sich unsterblich in den Sohn Aphrodites. Er besucht sie in der Nacht, sie umschlingt ihn in ihren Träumen. Da die drei diptyque Gründer in erster Linie Bildhauer und Maler waren, bezog ihre Herangehensweise bei der Parfumkreation sowohl eine visuelle als auch eine immaterielle Dimension mit ein. Es ging darum, das Unsichtbare sichtbar und erkennbar zu machen. Jede Ingredienz ist wie eine Farbnuance auf einer Palette, wie der Abdruck eines Ortes, einer Landschaft, einer Epoche. Orientalische Märkte, viktorianische Gärten, chinesische Reisfelder … Die Illustration der Flakons spielt in der Erzählung eine Hauptrolle. Auf der Rückseite erhellt ein ausbrechender Vulkan den Nachthimmel. Ein magischer Berg, der Unheil bringt, aber auch Gutes tut, denn aus seiner Asche schöpft die üppige Pflanzenwelt der Insel ihre Kraft. Indonesien liegt am Pazifischen Feuerring und an den Hängen seiner Feuerspucker wächst dreimal pro Jahr dieser wundervolle Busch heran. Unzählige Halluzinationen, Katastrophen und Wunder später vereinen sich die beiden Liebenden, die bereits eine Tochter namens Voluptas haben, auf immer und ewig. Die Vermählung von Liebe (Eros) und Seele (Psyche). Wie schon beim ersten von Desmond Knox-Leet vor 50 Jahren für L’Eau entworfenen Motiv wurden die Etiketten für Tempo und Fleur de Peau mit Tusche gezeichnet. Jedes ist beidseitig bedruckt, wobei die Rückseiten jeweils nur von innen erkennbar sind, durch die Parfumflüssigkeit hindurch. Schwebende, schwimmende Bilder, fast wie ein Traum … Figurativ illustrieren sie die Duftnoten, die sich in ihnen widerspiegeln. Ein Kommen und Gehen, ein Nebeneinander, eine Symbiose. Rund um das Emblem sieht man die historische Adresse: diptyque, 34 Boulevard Saint-Germain, Paris 5e. |